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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 2 AR 19/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4 |
2) Verkennt das Gericht bei Erlass eines Verweisungsbeschlusses, dass ein bezifferter Klageantrag gestellt wurde, und stellt es in der Folge fälschlich auf das Ergebnis seiner Schlüssigkeitsprüfung bei der Bestimmung der Streitwerthöhe ab, entfaltet der Verweisungsbeschluss - wegen objektiver Willkür - ausnahmsweise keine Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 2 AR 19/08
In Sachen
hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 17. April 2008 durch die Richter am Kammergericht Franck, Dittrich und Dr. Glaßer beschlossen:
Tenor:
Das Landgericht Berlin wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe:
1. Das Kammergericht ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, nachdem sich das Landgericht Berlin und das Amtsgericht Wedding mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für sachlich unzuständig erklärt haben.
2. a.) Das Landgericht ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig. Denn der Streitwert der angekündigten Klage beläuft sich gemäß § 3 ZPO auf über 5.000 EUR. Dabei kann die in der Rechtsprechung und im rechtswissenschaftlichem Schrifttum umstrittene Frage, die das Landgericht in seinem Verweisungsbeschluss vom 14. Februar 2008 anreißt, ob nämlich bei unbezifferten Schmerzensgeldklagen die Größenvorstellung des Klägers oder die Schlüssigkeitsprüfung des Gerichts maßgeblich für die Streitwertbestimmung ist, dahinstehen (vgl. zum Streitstand: Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 3 Rdnr. 16 "Schmerzensgeld" und "unbezifferte Klageanträge", m.w.N.). Denn vorliegend hat die Klägerin gerade keinen unbezifferten, sondern einen bezifferten Klageantrag angekündigt. Dass diesem Antrag ein - behaupteter - Anspruch auf Schmerzensgeld zu Grunde lag, den die Klägerin nicht hätte beziffern müssen, ändert daran nichts.
b.) Das Landgericht hat seine sachliche Zuständigkeit nicht in Folge des Verweisungsbeschlusses vom 14. Februar 2008 verloren.
Nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bewirkt der Verweisungsbeschluss im Grundsatz bindend die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichtes und die Zuständigkeit des Gerichtes, an das verwiesen wird. Dies gilt auch bei einer Verweisung im Prozesskostenhilfeverfahren (ebenso BGH, NJW-RR 1991, 1342; KG, Beschl. vom 13.03.2008, Geschz. 22 W 17/08). Jedoch ist anerkannt, dass die Bindungswirkung ausnahmsweise dann entfällt, wenn die Verweisung auf Willkür beruht (vgl. nur BGH, NJW 2003, 3201 [3201]; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 281 Rdnr. 17 m.w.N.). Dabei ist Willkür nicht allein deshalb anzunehmen, weil die Frage der Zuständigkeit - aus Sicht des nach § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufenen, höheren Gerichtes oder aus Sicht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung - unzutreffend beantwortet wurde. Die Grenze zwischen der fehlerhaften, gleichwohl aber bindenden, und der willkürlichen Entscheidung ist allerdings u.a. dann überschritten, wenn das verweisende Gericht den ihm zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalt evident falsch erfasst (KG, MDR 1999, 438; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 281 Rdnr. 17) oder eine Zuständigkeitsnorm in den Gründen des Verweisungsbeschlusses nicht erörtert und diese Norm eindeutig seine Zuständigkeit begründet (ständige Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 17. September 2007, 2 AR 37/07, Beschluss vom 5. Januar 2006, 2 AR 62/07; ähnlich: KG, 28. Zivilsenat, KGR 2000, 68 [69] "Weicht das [Gericht] ... von der Gesetzeslage bzw. der ganz einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum ab, ... muss es dies wenigstens ... begründet haben"; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 281 Rdnr. 17 "Bindungswirkung kann ... fehlen, wenn [der] Beschluss ... nicht erkennen lässt, dass sich das Gericht mit einer einhellig gegenteiligen Rechtsansicht auseinander gesetzt hat")
Hiernach ist Willkür zu bejahen. Denn das Landgericht hat den evidenten Umstand, dass Gegenstand des Prozesskostenhilfegesuches ein bezifferter, kein unbezifferter Klageantrag ist, nicht erkannt und seine sich hieran knüpfende, eindeutige Zuständigkeit nach § 117 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG nicht erörtert.
Ende der Entscheidung
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